Der Befreier von Buchenwald

von Petra Ihm-Fahle

Die Platte für General Patton auf dem Bad Nauheim "Walk of Fame" (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Ich muss eine Weile mit meinen Handschuhen Dreckkrümel wegputzen, ehe die Bronzeplatte auf dem Bad Nauheimer "Walk of Fame" fototauglich rüberkommt. Ich habe eben beim Vorbeigehen das Bildnis von General George Smith Patton jr. entdeckt, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Bad Nauheim stationiert war. Dabei fällt mir wieder ein, was ich kürzlich erfuhr. 

Patton soll Buchenwald befreit haben, sagte mir Armin Häfner, Lektor der 4-teiligen Buchreihe "Amerikanische Spuren in Bad Nauheim" von Stadtarchivarin Brigitte Faatz. Ich sprach mit Herrn Häfner, als ich neulich über die Idee einer Umbenennung des Lee Boulevards für die WZ recherchierte. Robert E. Lee war ein Südstaatengeneral gewesen, der während des Amerikanischen Bürgerkriegs im 19. Jahrhundert für die konföderierten Staaten kämpfte. Jene wollten die Sklavenhaltung beibehalten, weshalb das nach Ansicht einer Bürgerin ein unpassender Name für eine Straße in unserer Stadt ist. 

Sie trug den Wunsch, dies zu ändern, bei Bürgermeister Klaus Kreß vor, aber damit dürfte es nichts werden. Herr Kreß hält es aus geschichtlichen und organisatorischen Gründen für besser, den Straßennamen zu belassen. Allerdings möchte er in der Legende, der Erklärung zum Straßenschild, eventuell darauf hinweisen, dass die Benennung durch die US-Amerikaner ohne Zutun der Stadt Bad Nauheim erfolgte. 

Der Lee Boulevard in Bad Nauheim ist ein Überbleibsel aus der Zeit der US-amerikanischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg. (Bild: Petra Ihm-Fahle)


Herr Häfner meinte, er halte Lee für eine durchaus respektable Persönlichkeit, die man im Rahmen ihrer Zeit sehen müsse. Aber es frage sich tatsächlich, ob es nicht besser gewesen wäre, 2010 den Namen der Patton Avenue (heute Paul-Ehrlich-Straße) anstelle des Lee Boulevards beizubehalten, als die ehemalige Housing Area in Bad Nauheim neu erschlossen wurde. Denn Patton habe in Bad Nauheim residiert. "Er befreite Buchenwald", erklärte Häfner. 

Das hatte ich nicht gewusst. Monik Mlynarski, langjähriger Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim und Ehrenbürger der Stadt, wurde in Buchenwald befreit. Die 3. US-Armee, die Patton befehligte, rettete ihm und tausenden anderen geschundenen Menschen das Leben: Am 11. April 1945, den Herr Mlynarski als seinen zweiten Geburtstag bezeichnete. In unserem Buch der Kulturgruppe Die Verdichter "Das Leben ist kein Sprudelhof" berichtete Herr Mlynarski über seinen Weg durch Zwangsarbeitslager und KZs. Sein Beitrag hieß "Ich überlebte die Hölle". Herr Mlynarski war Mitglied unserer Kulturgruppe gewesen, ursprünglich ein Projekt der Bürgerstiftung "Ein Herz für Bad Nauheim". 

Patton soll laut der Geschichtsschreibung am 15. April in Weimar Quartier bezogen haben. Als er die Schrecknisse in Buchenwald sah, ordnete er an, dass 1000 Bürgerinnen und Bürger aus Weimar durch das KZ gingen und die Gräuel ansahen, von denen sie angeblich "nichts gewusst hatten".

Nachdem ich die Platte auf dem "Walk of Fame" gründlich geputzt habe, fotografiere das Bildnis Pattons von allen Seiten und überlege mir, ob Herr Mlynarski das wusste. Sicherlich, aber ich kann nicht mehr mit ihm darüber reden, denn er starb vor knapp fünf Jahren.   

Die Patton-Platte auf dem Bad Nauheimer "Walk of Fame" (Bild: Petra ihm-Fahle)

Um über Pattons Verdienste zu schreiben, kaufe ich in der Buchhandlung Rühs Band 2 der "Amerikanischen Spuren in Bad Nauheim", in dem Patton eine ausführliche Würdigung erhält. Die Bürgerstiftung "Ein Herz für Bad Nauheim" hat die Buchreihe gefördert und herausgegeben. 

"Amerikanische Spuren in Bad Nauheim, Teil 2" von Brigitte Faatz (Repro. Petra Ihm-Fahle) 


Zu Hause beginne ich zu lesen, bin aber rasch ernüchtert: Patton soll antisemitische Äußerungen von sich gegeben und die SS bewundert haben. Für Aussagen, in denen er die NSDAP vor Reportern verharmloste,  indem er sie mit amerikanischen Parteien verglich, wurde er durch Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower strafversetzt: nach Bad Nauheim. 

Lee Boulevard, Patton Avenue oder welche Straße auch immer - es bleibt mitunter ein Zwiespalt, wenn Kommunen Straßen nach Persönlichkeiten benennen. Die städtische FDP-Fraktion hat daher einen Antrag auf den Weg gebracht, Straßennamen durch mehr Infos - etwa über QR-Codes an den Schildern - für interessierte Bürger nachvollziehbarer zu machen und ggf. kritisch zu würdigen. Der Ausschuss für Sport und Kultur soll demnächst darüber beraten.   

Monik Mlynarski (links) bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt, hier mit dem ehemaligen Bürgermeister Armin Häuser (CDU)


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Einzigartige Kulturen

Inselträume

Italienisches Tagebuch