Rassismus

Guter Indianer, böser Indianer

Da ich mich beruflich dieser Tage mit Indianern befasse, forschte ich spaßeshalber, ob ich auch in Bad Nauheim indianische Spuren finden kann, zumindest über zwei Ecken. Ich war schnell erfolgreich, denn Mark Twain und Karl May waren Kurgäste im ehemaligen Weltbad gewesen. In beider Romane spielen Indianer eine Rolle, beide bedienen rassistische Stereotype. 

Hier wohnte Karl May mit seiner Frau Klara während seines Bad Nauheim-Aufenthalts. (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Unter dem Pseudonym "Clemens" stieg Mark Twain 1892 gemeinsam mit Frau, Tochter und Personal in der Villa Albion (Burgallee 6) ab. Er war etwa sechs Wochen in Bad Nauheim und zog noch zweimal um. Wie aus der Homepage der Stadt hervorgeht, soll er in dieser Zeit das Buch "Knallkopf Wilson" begonnen haben. Bekannter wurde Twain allerdings durch den Klassiker "Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn". 

Darin gibt es einen Antagonisten und zwar den Indianer-Joe. Jener ist bedrohlich, laut Huck Finn "ein mordgieriges Halbblut" und geht letztlich in einer zugenagelten Höhle zugrunde. 

Auch in Western-Filmen und -Serien, die ich als Kind oft im Fernsehen sah, ging von Indianern meistens eine Gefahr aus. Sie griffen die weißen Siedler an, waren "Rothäute" und gefährlich. Wenn die Indianer kamen, hielt ich mir meistens die Augen zu, um die TV-Szenen nicht sehen zu müssen. 

Eine Ausnahme war Winnetou, der einen edlen Indianer verkörperte. Winnetou war bildschön, von ihm konnte man schwärmen. Karl May, der 1904 ebenfalls kurz in Bad Nauheim war und im Hotel Reichshof (Bild oben) logierte, schrieb die Romane um ihn. Er bediente dabei viele Klischees, bildete keine reell existierenden Kulturen ab. Laut Forscherin Rebecca Riall fühlen sich "Native Americans" von solchen Darstellungen teilweise beleidigt. Wie Riall ausführt, bestehe im größten Teil der Welt vielfach die Auffassung, als gehörten Indianer einer einzigen Kultur an, die im 19. Jahrhundert untergegangen sei. Das sei aber falsch. Wahr sei, dass es sich um "über 500 unterschiedliche Nationen mit eigenen Sprachgruppen, Religionen und Glaubensvorstellungen" handle, die auch weiterhin existieren. 

Diese Darstellung von Indianern, auch wenn sie schmeichelhaft sei, könne dazu führen, heutige Natives "als verzerrte Echos der echten Indianer" zu sehen - und somit zu einem unbeabsichtigten Rassismus.

Der eigene Rassismus 

Auch wenn wir überzeugt sind, nicht rassistisch zu sein, kann es trotzdem sein, dass wir es sind und eine Art positiven Rassismus pflegen. Ausgedrückt ist dies beispielsweise in der Frage "Woher kommst du", wenn jemand dunkelhäutig ist oder offenbar ausländische Vorfahren hat. Ich habe früher gern diese Frage gestellt und den Vorwurf nicht verstanden, den Deutsche mit Migrationshintergrund immer wieder mal äußern: Die Frage sei rassistisch. Das sah ich nicht so. "Es ist doch bloß Interesse", sagte ich, wenn das Gespräch darauf kam. Ein Freund gab mir schließlich eine Erklärung, die mir einleuchtete: "Es vermittelt den betreffenden Personen das Gefühl, als gehörten sie nicht dazu." 

Massasoit bei den Siedlern

Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen, dem Anlass meines Schreibens über Indianer: Ich formuliere gerade einen Text um, der sich mit der Geschichte des Popcorns befasst, das auf "die Indianer" zurückgeht. Die englischen Siedler in Plymouth lernten es kennen, als Quadequina, Bruder des Häuptlings Massasoit, Popcorn im Lederbeutel als Geschenk mitgebracht haben soll. Sie gehörten zum Stamm der Wampanoag.  

Der Maler Jean Leon Jerome Ferris stellte das erste Erntedankfest der englischen Siedler dar. (Bildquelle: Wikipedia)

Der Augenzeugenbericht von Emmanuel Altham beschreibt Häuptling Massasoit: "Und nun möchte ich etwas über Massasoits Statur berichten. Er ist einer der bestaussehenden Männer, die ich jemals in seinem Land gesehen habe, und er ist sehr mutig. Für einen Wilden ist er sehr subtil und wie die meisten seiner Männer ist er nackt, bis auf ein schwarzes Wolfsfell über seiner Schulter. Um die Mitte des Körpers trägt er eine spannenbreite, mit Perlen verzierte Kette." (Quelle: Wikipedia)

Wer weiß, ob die Beschreibung stimmt, aber wie es aussieht, bedient auch das Gemälde von Ferris (siehe oben) ein Klischee.  


Petra Ihm-Fahle

 

   

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