Reisen in der Fantasie

"Es ist wie ein Puzzle"

Wenn eine eine Reise tut, kann sie was erzählen. In der Corona-Krise ist das zwar schwierig, doch Yvonne Pioch aus Frankfurt hat einen Weg gefunden. Im Samstags-Interview mit Petra Ihm-Fahle erklärt sie, wie sie reist und trotzdem zu Hause bleibt. Entstehen soll ein Buch.
  

Der Palmengarten vermittelt ägyptisches Flair. (Foto: pv)  

Petra: Seit einiger Zeit unternimmst du virtuelle Reisen und berichtest auf Facebook darüber. Wie bist du auf die Idee gekommen, Yvonne?

Yvonne: Schon während der Lockdown-Zeit zu Hause hatte ich das Gefühl, an den Wochenenden etwas Besonderes machen zu müssen, um den Unterschied zwischen Wochentag und Wochenende zu spüren. Ich habe etwa einen Lesemarathon oder einen Disneyfilm-Marathon veranstaltet. Die Idee zum virtuellen Reisen am Wochenende kam über das Gespräch mit einem Kollegen und Freund von mir auf. Wir sprachen übers Spanischlernen, den Roman Don Quijote und Ron Miel, Rum mit Honig von den Kanaren. Das brachte mich auf die Idee, ein Spanien-Wochenende einzulegen. Als ich ihm davon erzählte, sagte er, ich könne doch eine Fantasie-Reiseagentur gründen. Inzwischen plane ich stattdessen ein Buch über meine Fantasiereisen.

Literatur und Gespräche geben den Anstoß. (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Wo warst du bisher überall?

Yvonne: Bisher war ich in Spanien, in einem Wellness-Hotel und in Ägypten. Inzwischen habe ich aber viele Reisetipps bekommen, darunter auch solche für Reisen, die man in Wirklichkeit gar nicht machen könnte. Es sind sicherlich genug Ideen für ein Jahr da.

Ideen sind genügend da. (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Nach welchem Konzept gehst du vor?

Yvonne:  Ich plane nicht zu weit im Voraus, maximal zwei Wochenenden. Man muss sich auch nach dem Ort fühlen, an den man reisen möchte. Beispielsweise war die Wellness-Reise eine Reaktion auf eine besonders anstrengende Woche im Büro. Meist ist es auch so, dass mir die besten Ideen kommen, wenn ich schon mit der Reise begonnen habe und nicht immer lässt sich jede Idee sofort umsetzen. Vielleicht muss ich Accessoires dafür im Internet bestellen oder die Zeit reicht für die Idee nicht mehr. Deshalb reise ich oft mehrere Wochenenden hintereinander an denselben Ort, immer mit neuen Ideen im virtuellen Gepäck.

Wellness nach Stresstagen (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Hast du anschließend das Gefühl, tatsächlich dort gewesen zu sein?

Yvonne: Bei Spanien ist es mir sehr leichtgefallen, mich in die Landesstimmung zu versetzen und das Urlaubsgefühl zu empfinden, weil ich bereits 5-mal dort war. Und auch Wellnesstage kann man leicht rekonstruieren. Ägypten ist deutlich schwieriger, weil ich dort noch nie war. Dafür gibt es aber sehr viel Material in Form von Dokumentationen und Büchern, aber auch Spielfilmen. Fantasiereisen ist wie ein Puzzle, das man aus sehr kleinen Teilen zusammensetzt. Einige Dinge kennt man persönlich, von anderen hat man gehört und wieder andere kann man sich vorstellen. Das alles zusammen erzeugt ein Gefühl von "wirklich dort sein". Ich bin zuversichtlich, dass mir das an diesem Wochenende noch besser gelingt.

Spanien kennt Yvonne schon seit vielen Jahren. (Foto: pv)

Petra: Lernst du etwas dabei?

Yvonne: Unbedingt. Ich befasse mich ständig mit neuen Dingen, etwa wenn ich mit YouTube Flamencotanzen übe, eine Doku über die Geschichte Ägyptens anschaue oder über landestypische Küche recherchiere. Die geistige Einfühlung ist deutlich leichter als die emotionale. Man geht zufrieden aus dem Wochenende, wenn man neue Dinge ausprobiert hat. Wichtig ist aber, sich auch genug Erholungsphasen zu gönnen, denn im realen Urlaub ist man ja auch kein Eindruck-Jäger. Manchmal liegt man einfach faul am Pool. Die Mischung ist wichtig für eine gelungene Fantasiereise.


Eine Doku tragt dazu bei, sich über das Land zu informieren. (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Welche Rolle spielt Kleidung dabei?

Yvonne: Kleidung kann manchmal helfen, sich in die Situation einzufühlen. Beispielsweise habe ich mir für mein Disney-Wochenende vorab ein Prinzessinnenkleid gekauft. Oft geht es mir in virtuellen Urlauben aber mehr wie in realen: Ich bekomme allmählich ein Gefühl für den Ort, sehe diese tolle Show und habe Lust, mir als Souvenir eine Carmenbluse oder ein buntes Kleid zu kaufen. Worauf ich achte ist, mich passend zu kleiden, wenn ich beispielsweise virtuell in die Oper gehe (über ein Online-Abo der MET). Das geht natürlich nicht im Pyjama.

Kleidung hilft, sich einzufühlen (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Deine Freunde konnten auch sehen, dass du Post verschickst. Nur fürs Foto oder wirklich?

Yvonne: Seit Neuestem verschicke ich Postkarten von meinen Reisen. Ich habe mir dazu Postkartenkalender von Traumreisezielen bestellt. Manchmal ist mein Reiseland nicht dabei, aber da bin ich großzügig. Wenn Wüste drauf ist, ist es Ägypten. Und ich fange jetzt an, Kühlschrankmagneten von den Orten zu sammeln, an denen ich war.

Postkarten gehören zum Urlaubserlebnis dazu. (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Isst du landestypisch?

Yvonne: Ja, Essen ist eine tolle Möglichkeit für die Einfühlung. Man kennt das ja, welche Begeisterung ein leckeres Essen im Urlaub auslösen kann. Noch heute schwärme ich von diesem Schokoladentörtchen auf der Champs-Élysées, das ich mit 23 gegessen habe. Deshalb probiere ich immer, landestypisch zu kochen. Beim Rewe schalte ich meinen Landesfilter ein - in den Einkaufswagen kommt nur, was zu dem Land passt. Bei Spanien hatte ich ein Kochbuch, das ich mir mal auf den Kanaren gekauft hatte. Orientalische Rezepte habe ich in meinen Weight-Watchers-Kochbüchern teilweise gefunden.

Beim Einkaufen schaltet Yvonne den Landesfilter ein. (Foto: Yvonne Pioch)

Petra: Wohin wolltest du in diesem Jahr tatsächlich reisen?

Yvonne: Ich wollte eigentlich mit einer Freundin nach Amsterdam und mir zwei Museen anschauen. Zum Glück haben manche Museen auch Apps, beispielsweise der Prado oder der Louvre. Für Amsterdam habe ich das noch nicht recherchiert. Mal wieder nach Spanien zu reisen, steht seit mehreren Jahren auf meiner Liste, es ist vielleicht mein Lieblingsland. Deshalb war das für mich naheliegend.

Petra: Verändern sich die Fantasiereisen, je mehr die Lockerungen in der Corona-Krisen einsetzen?

Yvonne: Es kann sehr spannend sein, die allmählichen Öffnungen nach dem Lockdown mit in seine Reiseplanung einzubinden. Beispielsweise hat der kürzlich wieder eröffnete Palmengarten mir bei meiner Ägyptenreise gute Dienste geleistet.

Im Palmengarten nach der Lockerung. (Foto: Yvonne Pioch)

Yvonne Pioch ist 39 Jahre alt, Job Coach und Deutschlehrerin bei der VHS Wiesbaden. Sie wohnt in Frankfurt-Sachsenhausen.

 

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